Gitarristin begeistert in Lübben mit viel Gefühl
Ruslana Schewtschuk hat es geschafft. Die Gitarristin lockte trotz eisiger Temperaturen zahlreiche Besucher am Sonntagabend in die Paul-Gerhardt-Kirche in Lübben. Es war der zweite Auftritt der gebürtigen Ukrainerin im evangelischen Gotteshaus in der Kreisstadt.
Lübbens Pfarrer Olaf Beier staunte, „wie viele Leute sich bei der Kälte und Glätte rausgetraut haben“. Und in der Tat. Fast alle Plätze auf den Bänken entlang des Mittelgangs waren besetzt. Die Besucher haben Ruslana Schewtschuk offenbar in guter Erinnerung. Es war ihr zweiter Auftritt in der evangelischen Kirche in Lübben – und ein gelungener.
Die Künstlerin braucht nicht viele Worte, um das Publikum für sich zu gewinnen. Sie setzt vielmehr auf die Wirkung ihrer Musik. Gefühlvoll, fast zart streicht sie mit ihren Fingern über die Saiten ihrer Gitarre. Jeden einzelnen Ton zelebriert sie. Die Gitarristin, 1980 in Kiew geboren, versteht ihr Handwerk. Sie hat an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin studiert und während des Studiums Meisterkurse belegt. Die 34-Jährige ist mehrfache Preisträgerin internationaler Gitarrenwettbewerbe und Festivals.
In Lübben schnappt sie sich ihre Gitarre, setzt sich auf einen Stuhl im Altarraum und beginnt zu spielen. Sie steigt mit Musik von Johann Sebastian Bach ins Programm ein. Das Publikum hat Freude daran; es applaudiert. Es spendet auch nach jedem weiteren Lied der Künstlerin Beifall. Matthias Kindler bereichert das Konzert mit Gedichten von Alexander Puschkin. Ruslana Schewtschuk führte selbst durchs Programm. Sie kündigte ihre Lieder an, erklärte kurz deren Inhalte. Klassische Werke waren zu hören, auch Lieder mit philosophischem Tiefgang. Die Gitarristin spricht mit ihrer Musik die Seele der Zuhörer an. In den drei Sätzen der Triologie „Der Weg“ animierte sie die Zuhörer zu einer Reise zu sich selbst.
Der Klang ihrer Gitarre hat etwas Meditatives, lädt zum Träumen ein. Es sind die leisen, sehr bewusst gezupften Töne, die das Konzert der Künstlerin so außergewöhnlich machen. Lübbens Pfarrer hatte nicht zu viel versprochen, als er anfangs sagte: „Was wäre das Leben ohne Musik? Sie löst so viel in uns aus.“ Ruslana Schwetschuk trifft den Nerv der Zuhörer, lässt viel Raum für Fantasie, für eigene Gedanken.
Sie spielt nicht nur Werke großer Meister, sondern komponiert auch selbst. Und sie improvisiert. Die improvisierte Zugabe am Sonntag hat sie den Menschen in ihrer Heimatstadt Kiew gewidmet, wie sie sagt. Nach 70 Minuten bedankt sich das Publikum bei der Künstlerin mit langanhaltendem Beifall; und der Pfarrer mit Blumen. Ruslana Schewtschuk darf gern wiederkommen, sagt der Pfarrer.
Andreas Staindl / asd1
Ich erzähle Geschichten mit Tönen“
Ruslana Schewtschuk gibt ein Gitarrenkonzert in der Paul-Gerhardt-Kirche in Lübben
Ruslana Schewtschuk (33) gibt am morgigen Sonntag, 26. Januar, um 17 Uhr ein Konzert auf ihrer Gitarre in der Paul-Gerhardt-Kirche in Lübben. Die gebürtige Ukrainerin spielt klassische Musik, aber auch eigene Kompositionen. Die RUNDSCHAU sprach mit Ruslana Schewtschuk über das Instrument Gitarre, ihre Musik und die politischen Verhältnisse in ihrer Geburtsstadt Kiew.
Ruslana Schewtschuk spielt am Sonntag in der Paul-Gerhardt-Kirche in Lübben. Foto: Agentur
Frau Schewtschuk, Sie kommen nach Lübben und geben in der Paul-Gerhardt-Kirche ein Gitarrenkonzert. Auch in anderen Kirchen spielen Sie oft. Warum musizieren Sie so gern in Kirchen?
Ich spiele überhaupt sehr gerne, weil Musizieren Kommunikation ist. Geschichten erzählen mit Tönen – das passt auch gut zu Kirchen. Ich treffe dort oft sehr aufgeschlossene, interessante Menschen.
Worauf kann sich Ihr Publikum in Lübben freuen?
Das wird ein interessanter Kontrast. Ich spiele Werke von Johann Sebastian Bach und eigene Kompositionen. Diese habe ich erst Mitte Januar uraufgeführt. Die Konzertbesucher waren richtig hingerissen. Ich spiele die Partita d-Moll von Johann Sebastian Bach. Es ist eines seiner großen, filigranen Meisterwerke, die auch auf der Gitarre wunderbar zum Klingen gebracht werden können. Kompositorisch bieten meine Arbeiten hier einen hübschen Kontrast. Sie orientieren sich auch an Bach. Es ist eine harmonische, lyrische Musik mit lebendigen Rhythmen, die ich von der Gitarre her entwickelt habe. Sie beschäftigt sich mit dem Wegcharakter des Lebens, aber auch beispielsweise mit Alexander Puschkin, der als Poet im russischsprachigen Raum eine Bedeutung hat wie hier Goethe. Mein Mann, Matthias Kindler, wird auch einige Gedichte vortragen.
Sie haben klassische Gitarre studiert, sind mehrfache Preisträgerin und Gewinnerin bei internationalen Gitarrenwettbewerben. Wann haben Sie bemerkt, dass Sie mit der Gitarre andere Menschen unterhalten und erfreuen können?
Als ich mit 13 Jahren durch meine Lehrerin die Gelegenheit hatte, an der Hochschule für Musik in Kiew bei einen Konzert von Studenten auch aufzutreten. Die Studenten meinten: „Sehr schön, man möchte immer weiter zuhören“. Die waren offenbar richtig beeindruckt.
Was fasziniert Sie an dem Instrument Gitarre?
Es ist der Klang. Es gibt eine unglaubliche Vielfältigkeit und Farbigkeit des Klanges, und es ist ein sehr persönliches Instrument. Je nach Charakter des Spielers verändert sich auch der Charakter der Gitarre. Zudem ist es ein Instrument, das sich im Vergleich zu Violine oder Klavier noch in der Entwicklung befindet und ganz verschiedene Stimmungen der Saiten zulässt. Das lässt eine ungeheure Anzahl von Klangmöglichkeiten entstehen. Ich entdecke daher das Instrument immer wieder neu.
Welches Musikstück möchten Sie auf Ihrem Instrument unbedingt lernen zu spielen?
Die Chaconne d-Moll von Johann Sebastian Bach. Es ist ein über einen sehr weiten Bogen kompositorisch exzellent gebautes Stück von Bach und dabei eines der schönsten. Zudem fasziniert mich Carlo Domeniconi, der mit seinem Stück „Gita“ unkonventionelle, lyrische Musik schafft – atemberaubend.
Mit welchem Musiker würden Sie gern gemeinsam musizieren?
Da lasse ich mich gern überraschen. Es muss musikalisch etwas entstehen, bei dem wir uns in einem inspirierenden, musikalischen Dialog befinden – etwas, bei dem dann auch das Publikum spürt, dass gerade etwas besonderes entsteht.
Sie sind in Kiew in der Ukraine geboren. In Ihrer Geburtsstadt demonstrieren die Menschen zurzeit für mehr Demokratie und Freiheit. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie die Bilder aus Ihrer Geburtsstadt im Fernsehen sehen?
Es macht mich traurig, das zu sehen, was im Land passiert. Ich bewundere den Mut der Menschen, auf die Straße zu gehen und für ihre Rechte, für Demokratie und ihre Freiheit einzustehen. Das Volk weiß, dass man nichts umsonst bekommt und man klar machen muss, dass man da ist. Ich bin entsetzt über das harte Vorgehen der Polizei, hoffe aber auf eine konstruktive Lösung.
Glauben Sie, Oppositionsführer Vitali Klitschko könnte die Probleme in der Ukraine lösen?
Ich glaube, das wird schwer. Denn es gibt Oligarchen mit ihren Politikern. Das sind große Netzwerke und Strukturen. Das grenzt an neofeudale Verhältnisse. Ich vertraue Klitschko. Er ist auf der Seite des Volkes. Doch eine Person allein kann nicht viel ändern. Änderungen müssen hier über Jahre wachsen. Aber es ändert sich langsam ein Bewusstsein im Volk und das ist gut.
Wann haben Sie das letzte Mal ein Konzert in der Ukraine gegeben?
Schon lange nicht mehr. Ich würde dort aber gern auftreten und alle meine Freunde und lieben Menschen einladen.
Wo möchten Sie außerdem gern auftreten?
In der Carnegie Hall in New York. Dort sind viele sehr gute Musiker aufgetreten. Ich würde einfach gerne einmal diese Bühne und dieses Publikum spüren wollen.
Mit Ruslana Schewtschuksprach Thomas Seifert