Gottesdienst mit Predigt zu dem Lied Paul-Gerhardts „Befiehl du deine Wege…“

Ein Lebenslied auf verschiedene Weisen.
Predigt: Rolf Wischnath, Generalsuperintendent i.R.

Predigttext und Liedtext unter: weitere Infos
Foto: Werner Kuhtz
Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn;
er wird?s wohl machen.

Liebe Gemeinde, zur Predigt will ich heute nur diesen einen Satz aus der Bibel auslegen. Er ist ja vor allem als Konfirmationsspruch recht bekannt und steht im Psalm 37, Vers 5: Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn; er wird?s wohl machen.

Dieses Psalmwort ist den evangelischen Gemeinden nicht nur in Brandenburg seit über 350 Jahren fest in Ohr und Herz. Dazu hat vor allem der berlin-brandenburgische Pfarrer Paul Gerhardt beigetragen. Paul Gerhardt, der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts lebte und in Mittenwalde, Berlin und hier in Lübben wirkte, hat zu diesem Psalmwort das Lied gedichtet ?Befiehl du deine Wege?. Sie finden es im Gesangbuch unter der Nummer 361. In diesem Lied ist jedes einzelne der dreizehn Wörter dieses Verses 5 aus Psalm 37 je an den Anfang von zwölf Strophen gestellt. ?Befiehl du deine Wege? gehört so zu den wichtigen Chorälen des Protestantismus. Viele ältere Gemeindeglieder mussten dieses Lied im Kon-firmandenunterricht ganz auswendig lernen ? ich auch. Die erste Strophe lautet bekanntermaßen: ?Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.? Diese Strophe haben vermutlich die meisten Zuhörer mit einer bestimmten Melodie im Sinn, die so im Gesangbuch steht. Sie stammt von Bartholomäus Gesius, der etwas älter gewesen ist als Paul Gerhardt. Lasst sie uns singen.

I Gesang: ?Befiehl du deine Wege? (EG 361,1)
nach der im Evangelischen Gesangbuch (EG) vorgegebenen Melodie

Diese Melodie ist verhalten und ernst, nicht übermäßig fröhlich: dorisch-d, alte Kirchentonart. So wird ?Befiehl du deine Wege? in aller Regel gesungen: oft in mühsamen, durchaus alltäglichen Situationen:

Dem Herrn im Alltäglichen und Mühsamen die Wege zu befehlen, bedeutet ein gehöriges Stück Arbeit. Paul Gerhardt hat das in seinem Leben selber zu spüren bekommen: Aufgewachsen ist er in den Schreckenszeiten des Dreißigjährigen Krieges. Er studierte in Wittenberg Theologie, wurde 1651 in der Nikolaikirche zu Berlin in den Pfarrerstand berufen und übernahm als Propst in Mittenwalde, 20 Kilometer südlich von Berlin, seine erste Pfarrstelle. 1657 wurde er wieder nach Berlin gerufen. Dort geriet er in die religiösen Streitigkeiten seiner Zeit. Weil er unbeugsam in seinen lutherischen Überzeugungen war, musste er auf Geheiß des Großen Kurfürsten, der reformiert war und somit anders dachte als Paul Gerhardt, sein Berliner Amt räumen. Er ging hierher nach Lübben. Kurz zuvor war ihm seine Frau gestorben. Von fünf Kindern war Paul Gerhardt nur ein Sohn geblieben.

Einen solchen Lebensweg ?dem Herrn befehlen?, d.h. diesen Weg ganz in Gottes Hand legen, ist anstrengend. Die Melodie des Bartolomäus Gesius spiegelt durchaus etwas wider vom Ernst und der Mühe alltäglichen Vertrauens auf den Herrn. So entspricht sie dem ursprünglichen Sinn des Psalmverses ?Befiehl dem Herrn deine Wege?, den man nach dem hebräischen Urtext genauer übersetzen müsste mit den Worten ?Wälze ihm deinen Weg zu!?.

Aber nun ist das nicht die einzige Melodie und Tonart, nach der man Paul Gerhardts Lied singen kann. Es gibt erstaunlich viele. Für jede der zwölf Strophen könnte man eine andere bekannte Melodie nehmen. Ich schlage vor, wir orientieren uns am Kirchenjahr und singen nun die zweite Strophe des Paul-Gerhardt-Liedes einmal nach der Weise des Advent, nach der Melodie von ?Wie soll ich dich empfangen und wie begegn? ich dir, o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier? ? im Gesangbuch Nr. 11. Diese Weise stammt von Johann Crüger, der hier aus der Niederlausitz, aus Guben stammt und der als Kantor mit dem Pfarrer Paul Gerhardt an der Nikolai-Kirche zu Berlin gewirkt hat. Also nun die zweite Strophe, in der Ad-ventsweise des Johann Crüger:

II Gesang: ?Dem Herren mußt du trauen, wenn dir?s soll wohlergehn? (EG 361,2)
nach der Melodie ?Wie soll ich dich empfangen singen? (EG 11)

Mit dieser adventlichen Melodie in einem klaren D-dur hören wir den Befehl: ?Befiehl dem Herrn deine Wege? in einem anderen Klang. Johann Crüger hilft uns mit seiner Melodie sogleich zu einer bestimmten Hoffnungsperspektive. Die Wege unseres Lebens – unseren ganzen Lebensweg – können und sollen wir gehen mit einer großen Erwartung. Es ist die Erwartung, dass ?die Herren dieser Welt kommen und gehen? – wie Martin Niemöller und Gustav Heinemann es gesagt haben -, ?unser Herr aber kommt?. Mit jedem Weg, den wir antreten und gehen, den wir dem Herrn befehlen und anvertrauen, kommen wir ein Stück weiter auf dem großen Weg, auf dem er uns entgegenkommt und uns in seinem Advent sichtbar begegnen wird. Das ist auch das wichtigste, was wir von den Jahren sagen können, die wir seit unseren Geburtstagen leben ? es seien nun viele oder noch relativ wenige Jahre: auf alle Fälle aber waren und sind es Jahre auf den wiederkommenden Herrn Jesus Christus zu, Jahre zu ihm hin. Und wir dürfen gewiss sein: Es wird nicht unendlich weitergehen. Wir warten nicht vergeblich. Er wird einmal kommen: zu seiner Zeit!

Und dass wir alle unsere Wege in dieser adventlichen Richtung nicht allein gehen müssen, das wissen wir – seit Weihnachten. Der menschgewordene Gott, der in Bethlehem unser Menschenbruder geworden ist, teilt unseren Lebensweg von der Mitte der Zeit, von Stall und Krippe her. Seitdem zählen wir die Jahre, Jahrhunderte und Jahrtausende. Um das weihnachtliche Wunder zu besehen und anzubeten, machen sich die Weisen aus dem Morgenland auf einen langen Weg. Und durch den Anblick des Kindes in der Krippe (mit Maria, seiner Mutter) ändert sich ihr Weg völlig, heißt es doch: ?Und Gott befahl ihnen im Traum, dass sie nicht wieder sollten zu Herodes gehen, und sie zogen auf einem andern Weg wieder in ihr Land? (Matthäus 2, 12). Damit wir immer wieder an die weihnachtliche Menschwerdung Gottes und die dadurch bedingte und begleitete Wegänderung – an Herodes vorbei! – erinnert werden, singen wir nun die dritte Strophe des Liedes ?Befiehl du deine Wege? wieder im glanzvollen D-Dur, in einer Melodie des weihnachtlichen Epiphaniasliedes: ?O König aller Ehren, Herr Jesu, Davids Sohn?. Sie stammt von Bartholomäus Helder, auch einem Zeitgenossen Paul Gerhardts und Johann Crügers, der damals in Gotha wirkte.

III Gesang: ?Dein ewge Treu und Gnade? (EG 361,3)
nach der Melodie ?O König aller Ehren, Herr Jesu Davids Sohn?(EG 71)

Trotz des weihnachtlichen Sterns auf dem Weg aber erfahren wir, dass die dem Herrn befohlenen und von ihm begleiteten Wege dennoch oft genug schwere und überschattete Wege sein können. Die kirchlichen Jahre in Berlin, in denen Paul Gerhardt und Johann Crüger an St. Nikolai wirkten, waren geprägt von schweren innerkonfessionellen ? lutherisch-reformierten – und innerkirchlichen Auseinandersetzungen, in deren Folge etwa Paul Gerhardt in St. Nikolai gekündigt wurde. Er wurde aus Berlin herausgeschmissen und vom Pfarramt suspendiert und musste nach Lübben gehen. Der Kantor Johann Crüger litt ? wer wollte die Gründe dafür nicht sehen ? an schweren Depressionen, so dass er in seiner schöpferischen Kraft wie gelähmt war und ein ganzes Jahrzehnt lang nichts veröffentlichte.

Solche Schatten im Leben zu akzeptieren, auch in ihnen Gottes Wege zu erkennen, an seiner Treue dennoch nicht zu verzagen, fällt nicht leicht. Aber es darf uns eigentlich nicht wundern, dass es so geht. Denn der Weg des Herrn, der die Menschwerdung mit uns teilt, war und ist ja auch schon von Geburt an ein schwerer und vielfach überschatteter Weg gewesen, der ihn letztlich sogar ans Kreuz und in die Finsternis des Todes gebracht hat. Daran kann eine vierte Melodie für das Paul-Gerhardt-Lied erinnern: die Passionsmelodie von ?O Haupt voll Blut und Wunden? und ?Wenn ich einmal soll scheiden?. Sie stammt ebenfalls aus der Zeit der Generation Paul Gerhardts. Lasst uns die vierte Strophe von ?Befiehl du deine Wege? nach dieser Melodie anstimmen:

IV Gesang: ?Weg hast du allerwegen? (EG 361,4)
nach der Melodie ?O Haupt voll Blut und Wunden? (EG 85)

In phrygisch E erklingt die Passionsmelodie. Auch eine Kirchentonart. Spätestens seit der Matthäuspassion von Bach ist sie so sehr mit der Leidensgeschichte Jesu verbunden, dass wir es kaum noch zu erahnen vermögen: Diese zu Herzen gehende Melodie war ursprünglich eine wehmütige, ganz weltliche Melodie, nämlich die eines Liebeskummer-Lieds. ?Herzlich tut mich verlangen?, hieß das Lied, für das Hans-Leo Hassler die Melodie komponierte und die in Görlitz – hier in der Nähe und Nachbarschaft, aber schon in Niederschlesien – im Jahr 1613 zum ersten Mal erklang. –

Dass aber nach dem Karfreitag die Wege des Herrn, dem wir unsere Wege befehlen, nicht endgültig abgebrochen, sondern von Gott in völlig neuer Weise aufgehoben und aufgenommen und in einem neuen Leben fortgesetzt worden sind, das lässt sich mit einer Ostermelodie für das Lied ?Befiehl du deine Wege? zum Ausdruck bringen. Es ist dies nun wieder eine Melodie unseres Niederlausitzer Landsmannes Johann Crüger – eine wunderbare Melodie, die auch uns auf unseren Wegen immer wieder aufmuntern und aufstehen und nicht aufgeben lassen soll. Johann Crüger hat sie zu dem Osterlied Paul Gerhardts ?Auf, auf mein Herz mit Freuden, nimm wahr, was heut? geschieht ………? komponiert; – natürlich im hellen, sieghaften C-Dur. Ich bin mir ziemlich sicher, er hat damals auch das Lied ?Befiehl du deine Wege? nach dieser Osterweise gesungen. Das geht und passt nämlich. Wir wollen es versuchen ? mit der fünften Strophe von ?Befiehl du deine Wege?:

V Gesang: ?Und ob gleich alle Teufel hier wollten widerstehn? (EG 361,5)
nach der Melodie ?Auf, auf mein Herz mit Freuden? (EG 112)

Meine Schwestern und Brüder, nicht alle Menschen können singen; und in der Tat sind uns nicht immer die passenden Melodien auf unserem Weg im Kopf. Und einen Paul Gerhardt oder einen Johann Crüger haben die Brandenburger und Niederlausitzer auch nicht alle Tage. ?Befiehl dem Herrn deine Wege? – d.h. auch damit rechnen, dass es unter uns wohl die gleiche von Gott gewiesene Richtung, aber unterschiedliche Wege zum Ziel gibt, die wir gehen und geführt werden; sie zeigen sich in unterschiedlichen Weisen der Erkenntnis, in mannigfachen Melodien und in verschiedenen Formen der Frömmigkeit und des Lobes Gottes: ?Er weiß viel tausend Weisen, zu retten aus dem Tod?, heißt es im Lied ?Du meine Seele singe, wohlauf und singe schön?. Auch nach dieser Melodie ließe sich ?Befiehl du deine Wege? anstimmen (EG 302). Oder auch nach der Weise von ?O Gott, du frommer Gott, du Brunnquell aller Gnaden?. Es sind eben aus diesem Brunnquell mancherlei Gaben, unterschiedliche Geistes-Gaben, verschiedenste Charismen und Melodien, die uns in der christlichen Gemeinde, in der Welt begegnen. Wir dürfen unterschiedlich sein, weil der Geist Gottes – wo und wann es ihm gefällt – Menschen erreicht und weckt, mit verschiedensten Gaben ausstattet und begleitet. Es kann dem Geist Gottes sogar gefallen, auf ganz weltliche Weise Menschen anzusprechen und anzurühren. Vielleicht auch durch weltliche Melodien ? nach Ostern etwa durch die Frühlingsmelodie eines Volksliedes. ?Nun will der Lenz uns grüßen? zum Beispiel. Ja, auch nach dieser Melodie lässt sich ?Befiehl du deine Wege singen?. Sie steht zwar nicht im Gesangbuch, ist aber dennoch wohl in der Kirche erlaubt. Wir probieren es mit der sechsten Strophe von ?Befiehl du eine Wege?:

VI Gesang: ?Hoff, o du arme Seele, hoff und sei unverzagt? (EG 361, 6)
nach der Melodie von ?Nun will der Lenz uns grüßen?

Nach dieser durch und durch weltlichen Frühlingsmelodie könnte eine Diskussion aufkommen, was für Musik eigentlich alles in der Kirche gespielt werden darf. Gibt es da Grenzen? Manchmal entsteht über einer solchen Frage regelrecht Streit in der christlichen Gemeinde. Stellen Sie sich vor, ich würde jetzt etwa empfehlen, das Paul-Gerhardt-Lied ?Befiehl du deine Wege? nach der Melodie des Gassenhauers ?Bolle reiste jüngst zu Pfingsten nach Pankow war sein Ziel? anzustimmen. Die Melodie passt auch. Aber womöglich würden dann einige sagen: ?Also, das geht zu weit ….. ? in der Kirche?. Und es könnte Streit geben. Damit wir als Gemeinde im Streit nicht auseinanderfallen, muss Gott uns die Gabe seines einigenden Geistes schenken. Und wir tun gut daran, Gott um diese einigende Gabe seines guten Geistes zu bitten, eines Geistes, der uns auch Gegensätze und Unterschiede aushalten lässt mit der Gabe, die jeder und jedem von uns gegeben ist, damit wir uns mit diesen Geistesgaben wechselseitig dienen und ergänzen können. Wir wollen jetzt um den Geist Gottes bitten mit einer pfingstlichen Melodie und finden sie im Choral ?O komm du Geist der Wahrheit und kehre bei uns ein?. Also, in dieser Pfingstmelodie, mit der Phillip Spitta im 19. Jahrhundert um den Geist und die Gaben des Heiligen Geistes gebetet und gesungen hat, lasst uns nun den siebten Vers von ?Befiehl du deine Wege? miteinander singen:

VII Gesang: ?Auf, auf gib deinem Schmerze und Sorgen gute Nacht? (EG 361,7)
nach der Melodie ?O komm, du Geist der Wahrheit? (EG 136)

Liebe Gemeinde, die Predigt würde zu lang, wenn ich nun für die restlichen fünf Strophen des Paul-Gerhardt-Liedes auch noch verschiedene Melodien empfehlen und erläutern würde. Das ginge zwar, aber es könnte sein, dass uns dabei dann doch Zeit und Atem ausgingen. So will ich nur noch darauf hinweisen, dass dann, wenn uns einmal völlig Zeit und Atem ausgehen und das menschlich gesehen endgültige Ende in Sichtweite kommt und der Tod nach uns greift, uns dann doch noch eine Melodie zur Hand ist, die für das Ende des Kirchenjahres bestimmt ist – also für die Zeit, wo wir auch schon mitten in unseren Lebens- und Kirchenjahren – zur Herbstzeit – novemberlich an unser eigenes Ende denken und an die, mit denen es schon ein Ende hatte, auch an Paul Gerhardt oder Johann Crüger oder die anderen Dichter und Melodiengeber. Also, dafür gibt es auch eine Melodie für ?Befiehl du deine Wege? – gleichsam eine Abschiedsmelodie -, mit der wir Abschied nehmen können von all unseren irdischen Wegen auf dieser Welt: ?Valet will ich dir geben, du arge, falsche Welt?, heißt das Lied (im Gesangbuch 523), dessen Melodie auch ein Zeitgenosse Paul Gerhardts, der Schlesier Melchior Teschner, Kantor in Fraustadt, komponiert hat:

?Valet? singt diese Melodie: ?Valet? – d.i. der alte lateinische Abschiedsgruß, der den Zurückbleibenden Kraft und Stärke, Gesundheit und Wohlergehen wünscht. – Merkwürdig, wo ich alle Kraft und Stärke verliere, wo mir alle Gesundheit und Wohlergehen abgehen, soll ich den anderen, den Zurückbleibenden, ja ?der Welt? wünschen, was ich selber nun aufgebe im Abschied, im Tod. ?Valet will ich dir geben, du arge falsche Welt, dein sündlich böses Leben durchaus mir nicht gefällt …….? – Die Melodie des Totensonntagsliedes passt noch einmal zu ?Befiehl du deine Wege? ? zu dessen letzten Vers. Probieren wir?s in der vorgegebenen tiefen, traurigen Tonart B-dur mit dem letzten Vers von Paul Gerhardts Trostlied:

VIII Gesang: ?Mach End, o Herr, mach Ende? (EG 361,12)
nach der Melodie ?Valet will ich dir geben? (EG 523)

Ja, so kommt?s einmal zu unser alle Ende. So mag es klingen – im besten Falle. Aber ach, meine Güte in B-dur darf?s eigentlich nicht enden. Heißt es doch im Psalmvers: ?Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird?s wohlmachen.? B-dur, das ist nicht wohl-gemacht. Unser Sterben: das ist nicht wohlgetan. Es ist ein Elend und ein Ende – und dann B-dur. Ob im Himmel B-dur überhaupt vorkommt? Das bezweifle ich. Aber mit dem Kantor Paul Gerhardts Johann Crüger zweifele ich keinen Moment daran, dass im Himmel musiziert wird – und wie. Und deswegen sei zum Ende und im Blick auf das Ende der große Niederlausitzer Johann Crüger nicht nur mit einer Melodie, sondern mit einem himmlischen Wort zitiert – im Wort, wo er so himmlisch sagt:

?Selbst die Engel im Himmel können kein besseres Vergnügen ersinnen, als eben die recht göttliche Musica. Die engelgleiche Musica wird eine der besten Himmelsfreuden sein, mit der wir nach abgelegter Hülle dieser Sterblichkeit in der vollkommenen Ewigkeit werden begabet werden ……?

Wunderbar! So ist es recht! Und weil gemäß der letzten Strophe des Liedes von Paul Gerhardt (?Mach End, o Herr, mach Ende?) unsere Wege ?gewiss zum Himmel eingehen?, darum darf man auch auf Erden schon nach einer himmlischen Melodie suchen und diese anstimmen. Ich habe sie gefunden – natürlich bei Johann Crüger – zu einem Lied, das mitten im dreißigjährigen Krieg gedichtet wurde: ?Nun jauchzet, all ihr Frommen, zu dieser Gnadenzeit, weil unser Heil ist kommen, der Herr der Herrlichkeit!? Also, das ist ja schon vom Text her eine alles irdische Jammern überwindende Himmelsweise – wie erst von der Melodie! eine himmlische Crüger-Melodie, die jetzt zum Schluß erklingen soll. Sie steht in einem klaren F-dur. Und dazu singen wir noch einmal ?Befiehl du deine Wege? ? nun noch einmal die erste Strophe. Und achten Sie mal drauf: Weil es eine klare Melodie für den Himmel ist, wo uns alles klar sein wird und wir Gott nichts mehr fragen werden, und eine Melodie für die Ewigkeit, wo wir ?ohne Zeit voller Freud? Gott singen werden, darum könnte man diese Melodie in der Zeile ? …..da dein Fuß gehen kann? unaufhörlich wiederholen und weiter-singen, selbst, wenn wir – noch auf Erden – dazu dann schließlich immer nur Amen sagen können.

IX Gesang: ?Befiehl du deine Wege? (EG 361,1)
nach der Melodie ?Nun jauchzet, all ihr Frommen ……? (EG 9)

  1. Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt;
    der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt.
    Der Wolken Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn,
    der wird auch Wege finden, da ein Fuß gehen kann.

2.Dem Herren musst du trauen, wenn dir?s soll wohlergehn; auf sein Werk musst du schauen, wenn dein Werk soll bestehn. Mit Sorgen und mit Grämen und mit selbsteigner Pein lässt Gott sich gar nichts nehmen,es muss erbeten sein.

  1. Dein ewge Treu und Gnade, / o Vater, weiß und sieht, / was gut sei oder schade / dem sterblichen Geblüt; / und was du dann erlesen, / das treibst du, starker Held, / und bringst zum Stand und Wesen, / was deinem Rat gefällt.
  2. Weg hast du allerwegen, / an Mitteln fehlt dir?s nicht; / dein Tun ist lauter Segen, / dein Gang ist lauter Licht; / dein Werk kann niemand hindern, / dein Arbeit darf nicht ruhn, / wenn du, was deinen Kindern / ersprießlich ist, willst tun.
  3. Und ob gleich alle Teufel / hier wollten widerstehn, / so wird doch ohne Zweifel / Gott nicht zurücke gehn; / was er sich vorgenommen / und was er haben will, / das muss doch endlich kommen / zu seinem Zweck und Ziel.
  4. Hoff, o du arme Seele, / hoff und sei unverzagt! / Gott wird dich aus der Höhle, / da dich der Kummer plagt, / mit großen Gnaden rücken; / erwarte nur die Zeit, / so wirst du schon erblicken / die Sonn der schönsten Freud.
  5. Auf, auf, gib deinem Schmerze / und Sorgen gute Nacht, / lass fahren, was das Herze / betrübt und traurig macht; / bist du doch nicht Regente, / der alles führen soll, / Gott sitzt im Regimente / und führet alles wohl.
  6. Ihn, ihn lass tun und walten, / er ist ein weiser Fürst / und wird sich so verhalten, / dass du dich wundern wirst, / wenn er, wie ihm gebühret, / mit wunderbarem Rat / das Werk hinausgeführet, / das dich bekümmert hat.
  7. Er wird zwar eine Weile / mit seinem Trost verziehn / und tun an seinem Teile, / als hätt in seinem Sinn / er deiner sich begeben / und sollt?st du für und für / in Angst und Nöten schweben, / als frag er nichts nach dir.
  8. Wird?s aber sich befinden, / dass du ihm treu verbleibst, / so wird er dich entbinden, / da du?s am mindsten glaubst; / er wird dein Herze lösen / von der so schweren Last, / die du zu keinem Bösen / bisher getragen hast.
  9. Wohl dir, du Kind der Treue, / du hast und trägst davon / mit Ruhm und Dankgeschreie / den Sieg und Ehrenkron; / Gott gibt dir selbst die Palmen / in deine rechte Hand, / und du singst Freudenpsalmen / dem, der dein Leid gewandt.
  10. Mach End, o Herr, mach Ende / mit aller unsrer Not; / stärk unsre Füß und Hände / und lass bis in den Tod / uns allzeit deiner Pflege / und Treu empfohlen sein, / so gehen unsre Wege / gewiss zum Himmel ein.