Liedpredigt zum Lied Paul Gerhardts „Ich hab in Gottes Herz und Sinn, mein Herz und Sinn ergeben“

Liedpredigt zum Lied Paul Gerhardts
„Ich hab in Gottes Herz und Sinn, mein Herz und Sinn ergeben“
Predigt: Olaf Beier, Pfarrer der ev. Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde Lübben (Spreewald)

Text Paul Gerhardts zur Kantate von Johann Sebastian Bach,
entstanden für den 28. Januar 1725 (in Auszügen)

Ich hab in Gottes Herz und Sinn
Paul Gerhardt – 1647

  1. Ich hab in Gottes Herz und Sinn
    Mein Herz und Sinn ergeben:
    Was böse scheint, ist mir Gewinn,
    Der Tod selbst ist mein Leben.
    Ich bin ein Sohn des, der den Thron
    Des Himmels aufgezogen;
    Ob er gleich schlägt und Kreuz auflegt,
    Bleibt doch sein Herz gewogen.
  2. Das kann mir fehlen nimmermehr,
    Mein Vater muß mich lieben!
    Wenn er gleich auch mich wirft ins Meer,
    So will er mich nur üben
    Und mein Gemüt in seiner Güt
    Gewöhnen fest zu stehen:
    Halt ich dem Stand, Weiß seine Hand
    Mich wieder zu erhöhen.
  3. Zudem ist Weisheit und Verstand
    Bei ihm ohn alle Maßen;
    Zeit, Ort und Stund ist ihm bekannt,
    Zu tun und auch zu lassen.
    Er weiß, wann Freud, Er weiß, wann Leid
    Uns, seinen Kindern, diene;
    Und was er tut, Ist alles gut,
    Ob?s noch so traurig schiene.
  4. Fürwahr, der dich geschaffen hat
    Und sich zur Ehr erbauet,
    Der hat schon längst in seinem Rat
    Ersehen und beschauet
    Aus wahrer Treu, Was dienlich sei
    Dir und den Deinen allen;
    Laß ihm doch zu, Daß er nur tu
    Nach seinem Wohlgefallen.
  5. Ei nun, mein Gott, so fall ich dir
    Getrost in deine Hände;
    Nimm mich und mach es du mit mir
    Bis an mein letztes Ende,
    Wie du wohl weißt, Daß meinem Geist
    Dadurch sein Nutz entstehe
    Und deine Ehr Je mehr und mehr
    Sich in ihr selbst erhöhe.
    Predigt zur Kantate von Johann Sebastian Bach zum Text Paul Gerhardts ?Ich hab in Gottes Herz und Sinn? am 18. November 2007

Bach trifft Gerhardt und beide treffen uns. Treffen im besten Sinn
des Wortes.
Keine Frage, so eine Kantate ist Verkündigung, geht zu Herzen,
es macht Freude sie zu hören.
Da brauchen jetzt nicht viele Worte folgen, das was Paul Gerhardt
und Johann Sebastian Bach aussagen wollen, ist klar zu uns gedrungen.
Musik mit Gesang ist wohl die schönste Weise der Verkündigung,
ist ein Gottesgeschenk.

Die Kantate gehört in die Vorpassionszeit hinein, Bach hat sie dem Sonntag Septuagesimae (70 Tage vor Ostern) zugeordnet und doch passt sie ebenso gut in die momentane Zeit am Ende des Kirchenjahres hinein. Denn beide Zeiten, Passionszeit und das Kirchenjahresende, geben uns zur Aufgabe, – wenn wir uns darauf einlassen – , über das Leben nachzudenken im Horizont der Begrenztheit.
Nicht als Philosophen, sondern als Menschen vor Gott über das Leben nachzudenken, – jeder über sein Leben.

Über eine unbestimmt lange Zeit kann man Lebensfragen wegdrücken, doch dann kommt ein Punkt, wo sie lauter werden. Die Wochen am Ende des Kirchenjahres sind so eine Zeit.
Wir, die wir glauben, die wir zweifeln, die wir manches nicht verstehen,
die wir auf dem Weg sind als Erwachsene mit Familie und Beruf,
als Alleinstehende, als Senioren an einem neuen Lebensabschnitt,
als Konfirmanden – alle mit unseren Fragen im Blick auf das Leben.

Fragen, die so klingen können:
was sind wir doch, was haben wir auf dieser ganzen Erd?, warum sollt ich meinem Gott denn singen, warum sollt ich ihm dankbar sein?, warum soll mein Herze springen?, sehe ich in allen Dingen, wie so gut er?s mit mir meint????.
?Bach trifft Gerhardt?, beide beantworten auf ihre Weise die Frage: warum soll und kann mein Herze springen?

Ist ?Warum?? die große Frage des Lebens?

Die Frage nach dem Warum ist Paul Gerhardt in seinen Lebensjahren oftmals auf Schritt und Tritt gefolgt:
Warum so ein Krieg der Konfessionen über drei Jahrzehnte? Warum nach der Freude über neues Leben in seiner Familie viermal ein frühzeitiger Abschied vom Kind, warum ??????

Paul Gerhardt hat auf seiner Lebensreise viel Bekanntschaft mit Höhen und Tiefen gemacht. Und es ist nicht übertrieben zu sagen, da waren äußerlich gesehen mehr Tiefen als Höhen.
Ein leichtes Leben sieht anders aus, aber weil sein Leben so war wie es war, hatte es Tiefgang, hat Wurzeln ausgebildet, die in Tiefen vorgedrungen sind wo nahrhafter Boden ist.

Auf welchen nahrhaften Boden Paul Gerhardt gestoßen ist, wie er innerlich mit seinen Lebensfragen umgegangen ist, da gewährt uns der Text Paul Gerhardts, den wir in der Kantate gehört haben, einen deutlichen Einblick.

Hier ist nicht die Rede von ?vielleicht? oder einem ?es könnte sein?,
nicht von ?ich weiß nicht? oder ?da kann ich dir nicht helfen? ?
hier treffen wir auf Klarheit und Eindeutigkeit.
Auf Gott können wir uns verlassen ? lautet seine Lebenserfahrung und
wie wir es von Paul Gerhardt kennen, führt es in seinem Lied, das Bach zur Grundlage nahm für die Kantate, in12 bildhaften Strophen aus, was das heißt, sich auf Gott zu verlassen.

Paul Gerhardt lehrt uns das Vertrauen auf Gott.
Im Glauben an den, ?der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann?, gründet er sein Leben.
?Ich hab in Gottes Herz und Sinn mein Herz und Sinn ergeben.?
Bildhaft gesprochen dann:
Gott hat ein Herz für uns.
Wenn Gott ein Herz für mich hat, dann kann ich mich immer an ihn wenden, immer auf ihn verlassen, in allen Stürmen des Lebens.

Es wird dadurch nicht alles gut ? der oftmalige Irrtum des Glaubens, dass wenn ich an Gott glaube, alles schon gut wird. Weit gefehlt, und so sagt Paul Gerhardt: ?er wirft mich ins Meer, die Wellen ergreifen mich und der Abgrund kommt näher, er legt mir ein Kreuz auf???.
Ganz ohne Bitterkeit, ohne Schmerz und Leid lernen wir die Lektionen des Lebens nicht. In den Tiefen des Lebens reifen die Samenkörner der Hoffnung heran.

Und die Erkenntnis daraus: ?die Wellen können sich auftürmen,
der Abgrund kann näher kommen, lass es kommen, lass es sein:
was böse scheint, ist mir Gewinn?.
Paul Gerhardt zieht die Decke des Scheins weg, darunter ist das Sein und das gründet sich darauf, dass Gott mir zur Seite steht.

Gott hat ein Herz für uns und er lässt es für uns schlagen.
Das reicht ganz nah an die Bedeutung des Namens Gottes heran.
Gottes Name ?Jahwe? bedeutet: ?Ich bin da, ich bin da für dich.?

Gott steht mit seinem Namen dafür ein, dass er da ist. Sein Dasein ist spürbar. Gott ist grundgütig und bejahend ? so kann ich in Gottes Herz und Sinn mich ergeben.

Ich bin ?kein Produkt des Zufalls, keine Laune der Natur?. Im Leben, Lieben, Streiten, auch auf den Irrwegen kann ich davon ausgehen,
ich bin von Gott angesehen.

Was ist das für eine Erkenntnis für das Leben, die da aufleuchtet?
Was aufleuchtet ist Licht für das Leben, ist für unser Leben auch Wegweisung und Orientierung.

Es gibt eine interessante Parallele zu einem anderen Text Paul Gerhardts.
?Ich hab in Gottes Herz und Sinn mein Herz und Sinn ergeben? ?
kommt dem bekannten Weihnachtsliedtext sehr nah: ?Ich steh an deiner Krippen hier?. Da heißt es: ?ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben. Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut, nimm alles hin.?

Geben, weggeben, loslassen können. Von dem was uns festhält sich befreien, um frei zu sein für die Fülle des Lebens.

Was halten wir nicht alles fest? Wohlstand, Karriere, gut angesehen zu sein, und was geht ? weil wir daran festhalten – uns anderes durch die Lappen?
Wie bestimmt die Sehnsucht nach dem Haben, dem MehrHaben unser tagtägliches Leben? Kein Kaufhaus hinterfragt den Sinn, wir müssen dem was wir festhalten selbst den Sinn geben und merken, wenn wir darüber nachdenken, wie oberflächlich manches von dem ist, wie wenig wirklich wichtig.

Der Mensch, der da an der Krippe steht und der alles hingegeben hat,
ist der der empfangen kann. Wenn die Hände leer sind, kann ich empfangen. Dann bin ich selbst soweit, dass ich mich in Gottes Herz und Sinn ergeben kann, fallen lassen kann.

Wer loslässt kann fallen und wer fällt kann erfahren, was ihn hält
und trägt.

Paul Gerhardts Texte sind voll von Lebens-und Glaubenserfahrungen, an denen wir teilhaben. Sie können uns Schlüssel sein für ein Verstehen des Lebens. Eines Lebens, das nicht nur dann gelingt, wenn alles gelingt, das wertvoll ist in jedem Fall.

So, wie nur der etwas zu sagen hat, der hören kann, wie der der losgelassen hat, empfangen kann – so hat Paul Gerhardt durch sein Leben erfahren und begriffen:
In Gottes Herz und Sinn sich zu ergeben, ist das, was trägt und hält
und ist Gewinn, der weiterführt.

Eine gute Botschaft für unser Leben ist das allemal.
Amen

Lied: Ist Gott für mich, so trete EG 351, 1.2.13

Pfarrer Olaf Beier